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Geradlinigkeit

Ruhestand

Am 15.5.2020 war es so weit: Meine Berufstätigkeit ist nun Geschichte, ich bin freigestellt noch bis Ende Juli. Ruhestand nennt man das wohl. Mein freundlicher Anwalt musste mich regelrecht raushauen aus dem unkündbaren Arbeitsvertrag. So jedenfalls fühlte sich das für mich an. Die Geradlinigkeit hat nun ein Ende. Oder?

Neustart im Beruf

Aber zwischenzeitlich war das ganz anders. Vor 14 Jahren sah es sehr nach Stellenwechsel aus, aber nicht wirklich auf meinen Wunsch hin. Mobbing war damals angesagt, und der damalige Personalchef bescheinigte dem verantwortlichen Chefarzt zu meiner Verwunderung lapidar Führungsschwäche! Danach war ich erstaunlicherweise trotz juristischer Korrektur einer Degradierung bis heute beim gleichen Arbeitgeber tätig, nach meiner Berentung vor 3 Jahren am Schluss schließlich zu meinen eigenen Konditionen. Das sind dann immerhin 35 Jahre geworden. Und die wollten mich bei meinem Arbeitgeber nicht mal unbedingt ziehen lassen. Letztlich bleibt – trotz Coronavirus – somit ein gutes Gefühl, und das, obwohl ich mich am Ende noch leicht damit hätte infizieren können. So bin ich zum Glück doch nicht zum Märtyrer geworden.

Diese letzten 14 Jahre waren teilweise wie eine Wiedergutmachung, und brachten stabile Verhältnisse in mein Leben und ein gutes Einkommen, trotz der Unterhaltszahlungen. Mit den KollegInnen war es meistens auch sehr angenehm.

Doch nun beginnt eine neue Phase! Was Ruhestand wirklich bedeutet, werde ich noch lernen müssen. Ohne an eine direkte berufliche Aufgabe zu denken, ist für mich schließlich eine völlig neue Erfahrung. Ob das gut geht? Hobbys habe ich jedenfalls genug.

Curriculum vitae

Mein Curriculum Vitae ergibt keine zeitliche Lücke oder abweichende Wege seit dem Besuch des Kindergartens. Bis zum Abitur waren es nur 12 Jahre wegen des Kurzschuljahres. Danach habe ich direkt mit dem Studium der Medizin in Gießen begonnen, das ich nach zwei Semestern wegen der Einberufung zum Zivildienst unterbrechen musste. Nach einer Dienstzeit von etwas mehr als einem Jahr ging es weiter. Der Anfang des dritten Semesters lag noch in der Zeit des Zivildienstes. Ab dann hatte ich nur noch ein Ziel, nämlich das Studium zum frühest möglichen Zeitpunkt abzuschließen, und kämpfte sogar noch gegen das Landesprüfungsamt Hessen um eine Verkürzung der Regelstudienzeit. 11 Semester inklusive Prüfungssemester waren es schließlich. Und dann nahm ich direkt eine Stelle als Medizinalassistent an, und anschließend als Assistenzarzt der Chirurgie für ein Jahr. Bis zur Promotion waren es insgesamt 3 Jahre, dank der freundlichen Unterstützung durch meinen Doktorvater. Und wiederum in der Minimalzeit erfolgte meine Weiterbildung zum Internisten. Ich könnte das so fortführen bis heute, aber sparen wir uns das.

Gerader Weg

Wie es dazu kommt, dass man so geradlinig seinen Weg geht, sich fast nie eine Schwäche leistet, nie ein Sabbatical nimmt, nie einen längeren Urlaub („Mal die Welt sehen“), nie Freiräume für die Entwicklung der Persönlichkeit einfordert, ständig für die Familie funktioniert, man von mir nach langer Ehe mehr Unterhalt einfordern kann, als es dem deutschen Durchschnittsverdienst entspricht, dass meine Ausfallzeiten durch Krankheiten über 43 Jahre summiert geschätzt bei 8 Wochen lagen, das alles werde ich später einmal zu ergründen versuchen. Ich verstehe mich – was das anbetrifft – manchmal selbst nicht.

War die Tatsache entscheidend, dass ich der Nachkriegsgeneration entstamme, einem frommen Elternhaus, dass ich ein sozialer Aufsteiger war? Oder war es einfach nur die Tatsache, dass der Arztberuf einfach vielschichtig und super ist, da er einem selbst viel gibt? Nicht nur ein gutes Einkommen, sondern auch sonst viele Vorteile. Die Patienten sind der wichtigste Motivationsfaktor.

Synonyme

Hier noch eine Reihe von Synonymen für Geradlinigkeit, Sie können sich das passende Charaktermerkmal aussuchen: Stehvermögen, Charakterfestigkeit, Treue, Ehrlichkeit, Beharrlichkeit, Unermüdlichkeit, Einfachheit, Durchhaltevermögen, Konsequenz, Offenheit, Geduld, Freimütigkeit, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Schlichtheit, Standhaftigkeit, Wahrheitsliebe, Festigkeit, Beständigkeit.

Hoffentlich waren es nicht nur Starrsinn, Unbeweglichkeit, Bequemlichkeit oder Angst vor Veränderungen.

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