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Medline mit dem Akustikkoppler

Eben war ich in meinem Hobbykeller, da habe ich ihn sofort gefunden! Meinen Akustikkoppler dataphon s21-23d der Firma Wörlein bei Nürnberg! Produktionsjahr um 1987. Sie könnten jetzt fragen: Was ist das überhaupt für ein Gerät? Da machen wir doch mal einen Ausflug in die Geschichte der Datenübertragung. Damals, lange bevor man von Internet, WLAN oder Smartphones etwas wusste, da gab es ihn schon, den Akustikkoppler. Und die medizinischen Datenbanken wie Medline.

Er war dazu da, um über ein normales drahtgebundenes Telefon mit Wählscheibe und Hörer an der spiralisierten Schnur in die damalige Welt der Daten zu gelangen. Dafür wurden akustische Signale und Induktion eingesetzt. Da musste man bestimmte Telefonnummern anrufen, um mit dem Dienst der Wahl verbunden zu sein. Bildschirmtext oder BTX war damals für das Onlinebanking beliebt. Look-and-feel von BTX kennen wir heute noch vom Teletext der älteren Fernseher. BTX wurde erst 2005 in den Ruhestand geschickt. Das funktionierte wirklich, ich habe damals nie etwas von Viren oder Unsicherheiten gehört.

Man muss sich allerdings die damaligen Übertragungsraten vorstellen: 300 Baud (hier identisch mit Bit/sec) entsprachen 30 Zeichen pro Sekunde. Eine geübte Sekretärin schafft 200 bis 400 Anschläge pro Minute, was deutlich schneller ist. Aus unserer heutigen Sicht war die Übertragungsrate somit unfassbar langsam. Bilder zu übertragen, das war gar nicht möglich. Die damaligen Dienste waren deswegen zunächst rein textbasiert. Das ist kein Nachteil bei exakten Inhalten, finde ich.

Ab dem 1.10.1987 hatte ich bei meinem Arbeitgeber einen Zugang zu dem Online-Dienst beim DIMDI, einer staatlichen Behörde, die Einwahlzugänge zu verschiedenen Datenbanken anbot. Beispielhaft sind hier Medline oder Embase zu nennen. Die Kosten ergaben sich aus den Verbindungszeiten und dem übertragenen Datenvolumen, und es wurde spitz abgerechnet. Ich meine, dass eine normale Recherche zum Beispiel 50 Mark kostete.

Es gab beim DIMDI dafür eine eigene spezialisierte Abfragesprache Grips(r), die extrem wirkungsvoll war. Um sie zu erlernen, besuchte ich dafür einen Kursus beim DIMDI. Ich war damals und heute fasziniert von der hohen Effizienz dieser einfachen Sprache. Als Resultate nach einer strukturierten Suche wurden zum Beispiel die Felder für Autor, Titel, Quelle und Abstract aus der Datenbank Medline ausgegeben, und S F=AU,TI,SO,AB war der zugehörige hochverdichtete Befehl. Da überhaupt keine Grafiken vorkamen, auch kein Overhead durch Verschlüsselung entstand, konnte man mit einer asymmetrischen 1200/75 Baud-Verbindung gut arbeiten. Ich habe auch mit einer Halbduplex-Übertragung mit 1200 Baud gearbeitet, also entweder in die eine oder die andere Richtung.

Was damals nur für Enthusiasten geeignet war, scheint heute Allgemeingut zu sein. Ich glaube aber, dass das nur schöner Schein ist. Denn die generelle meist kostenlose Verfügbarkeit hochspezialisierter medizinischer Fachinformation führt dazu, dass jeder, aber auch wirklich jeder [keine Beleidigung] meint, zu den Inhalten etwas sagen zu können. Alleine die leichte und vollständige Verfügbarkeit von Information ist aber keine Gewähr dafür, dass sie auch verstanden wurde, wenn man sich denn überhaupt die Mühe gemacht hat, den Artikel vollständig und kritisch zu lesen. Das Teilen von Links in den sozialen Medien verleitet dazu.

Ich muss schon sagen, die Zeit der strohtrockenen zeichenbasierten Informationspräsentation hatte schon etwas für sich. Die gab den Fake-News kaum keine Chance! Basta! Heute ist die Übertragungrate fast 200.000 mal so hoch, 50 MBit/s sind bei DSL normal. Datenschutz und Privatsphäre sind nicht mehr vorhanden, Werbung überflutet uns! Google, Facebook, Apple und andere große Player wissen über uns mehr als wir selbst!

Lesen Sie doch mal die 37 Seiten der Heinsberg-Studie von Hendrick Streeck vom Preprint-Server wirklich! Eine schwere Kost finde ich, nicht klar strukturiert, unübersichtlich. Warum ein so langer Text? Soll etwas versteckt werden? Und mit diesem unfertigen Papier erfolgte dann ein medialer Schnellschuß von Bild und Konsorten! Ich krieg‘ die Krise! Fake, Fake, Fake! Trotz Wissenschaft! Trotz Super-Smartphones! Oder deswegen?


Hier die tollen Features des damals modernsten Akustikkopplers:

Übertragungsgeschwindigkeiten:

  • max. 300 bit/s im V.21-Modus
  • max. 1200 bit/s im V.23-Modus
  • Vollduplex: 300, 600/75, 75/600, 1200/75, 75/1200 Baud
  • Halbduplex: 600/600, 1200/1200 Baud

Stromversorgung: (wahlweise)

  • 9-Volt-Blockbatterie oder -Akku
  • Externes Netzteil 9-12 Volt, 40-50 mA
  • über den V.24-Schnittstellenstecker

Schalter und Anzeigen:

  • Aus/300/600/1200 Baud
  • Induktive/akustische Hörerankopplung
  • Ans-/Orig-/Auto-Schalter
  • Anzeige des Answer-Modus
  • Anzeige Sendebereitschaft
  • Anzeige Originate-Modus
  • Anzeige Senden im Hauptkanal
  • Anzeige Empfangen im Hauptkanal

Schnittstelle:

  • V.24/RS-232
  • Standard 25-Pin nach ISO 2110
  • DBT03-kompatible Rundbuchse für BTX-Betrieb

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