Vorgestern war wieder eine Veranstaltung aus der Reihe „Philosophie für alle“. Das Thema lautete „Was bedeuten Regeln für unser Zusammenleben?“. Das Nachbarschaftsheim in Wuppertal und Prof. Dr. Griewatz, ein Kommunikatiosspezialist, haben dazu eingeladen. 10 Personen sind gekommen, anscheinend in der Mehrzahl mit sozialwissenschaftlichem Background, auch Lehrer. Und ich, ein interessierter Laie mit medizinischem Hintergrund. Wir begrüßen uns freundlich, einige kennen sich schon.
Es gibt, wie bei jeder guten Besprechung, Kaffee und Wasser, dazu Kekse und anderes Gebäck. Nach der üblichen Eröffnungsrunde mit Selbstdarstellung geht es los. Wir beginnen mit einem persönlichen Beispiel, bei dem Regeln besonders wichtig erscheinen. Ich nenne als Beispiel die Erfahrung neulich beim Spielen von Sagaland mit den Enkeln. Als die Enkelin uns erst einmal diffamierte: „Das könnt ihr euch doch sowieso nicht merken, ihr seid viel zu alt dafür!“
Als sie uns dann die Regeln erläutern sollte, es aber nicht konnte, und dann die nun gleitend gewonnenen Regeln viel zu streng waren, um dynamisch spielen zu können. Beispielsweise: Was geschieht beim Pasch? Werden andere bei gleicher Position herausgeworfen? Was geschieht eigentlich an der Zielposition? Ihr Bruder pöbelte dann in der nächsten Runde herum, weil er nicht gewinnen konnte. So kam es, dass wir Oldies bei einem Spiel mit dem Konzept einer Memory-Variante gewonnen haben. Das hätte angesichts unseres Alters nicht sein dürfen. Üblicherweise sind uns Kinder haushoch überlegen. Sofern sie sich konzentrieren.
Was lernen wir daraus? Kein Spiel ohne Regeln. Regeln sollten für alle gelten. Regeln zeichnen sich dadurch aus, dass es Ausnahmen, also Sonderfälle, gibt. Auch sind Regeln nötig, um das gemeinsame Ziel, nämlich die gemeinsame Interaktion zu ermöglichen. Denn sie bietet uns Freude. Nächster Spruch von mir: Regeln dienen einem gemeinsamen Ziel.
In der Gruppe bei Prof. Griewatz arbeiten wir uns umfassend am „Thema Lesewagen“ auf dem Spielplatz auf dem Platz der Republik ab. Recht breit wird das von der Stiftung Lesen geförderte Konzept auf dem Spielplatz auf dem Platz der Republik in Wuppertal dargestellt. Und die Regeln, die für Kinder dafür von Erwachsenen aufgestellt werden.
Ich sage provokativ, das sei aber woke, und wie es denn derzeitig um die öffentliche Wahrnehmung bestellt sei. Doch leider entwickelt sich die Diskussion nicht in die Richtung zu den Hintergründen, die die Legitimation dieser Regeln vor dem zu erreichenden Ziel darstellen könnten. Warum denn eigentlich Leseförderung, und dann auch noch transkulturell? Um klarzustellen, ich bin dafür.
Ich streue noch ein, dass allen Regeln ein diskriminierender Aspekt innewohne. Als Beispiel nenne ich allgemein einen Prozess vor Gericht, bei dem ich zwar auf der Basis von Gesetzen ein Urteil erhalte, mit dem mir aber nicht unbedingt Gerechtigkeit widerfährt. Gesetze sind für die Dummen, gegen die Armen gemacht! So hat es ein befreundeter Anwalt einmal drastisch formuliert.
In der Schlussrunde der dreistündigen und angenehmen Veranstaltung sinniere ich darüber, dass mir noch irgendetwas fehle. Ich meine eine Art Moral oder Ethik. Wofür sollen Regeln eigentlich gut sein? Herr Griewatz transformiert das in den Begriff der Legitimation von Regeln. Das wird das Thema der nächsten Veranstaltung dieser Reihe im Januar 2026 sein. Kant lässt grüßen, der kategorische Imperativ.
Was bedeuten Regeln für unser Zusammenleben? Das war das Ausgangsthema. Wenn ich semantisch zuspitze, konnten wir bisher die Themenfelder Regeln, Gemeinschaft bzw. zusammen sowie Leben extrahieren. Ich könnte nun erweitern: Worauf basieren Regeln für unser Zusammenleben? Dann wären auch die Legitimation, die Intention und die Ethik von Regeln explizit mit dabei. Warten wir es ab!
Ergänzung: Mindestens sieben Vorfahren und Verwandte von mir waren als evangelische Pfarrer bzw. Prediger auch in Wuppertal tätig. Seipp, Brückmann zweimal, Steffens, Agel, Pannes und Hofmann. Ob einer von ihnen schon einmal im heutigen Nachbarschaftsheim war? Bestimmt! Schließt sich da etwa ein Kreis?
