Medizinethik und Ressourcenmangel

Es ist schon erstaunlich, wie man nun beginnt, über die Älteren zu denken: Droht etwa ein Riss in der Gesellschaft, sollen die Alten weggesperrt werden? Und die Jungen machen einfach weiter, so wie in Schweden geplant. Corona nur für Ältere? Was ist, wenn mit der Medizinethik und Ressourcenmangel in Konflikt treten?

Hey, ich gehöre schon dazu, zu den Älteren, habe heute den CRB65-Score zur Entscheidung über die Notwendigkeit zur Aufnahme ins Krankenhaus bei COVID-19-Erkrankung gesehen. Alter über 65 Jahre reicht schon zur Aufnahme. Hey, die haben bei dem Score die Symptome vergessen, die den Patienten ins Krankenhaus gebracht haben! Ich hoffe doch, dass wenigstens Atemnot und Fieber dabei waren!

Auf der Intensivstation lagen heute vorwiegend ältere Patienten >80 Jahre, wie erwartet. Was ist, wenn das Krankenhaus überquillt von Schwerkranken, oder aber das Personal selbst wegen COVID-19 ausfällt? Wann greifen die Ethik-Regularien der DIVI? Begriffe wie Triage oder Priorisierung erscheinen dort. Da kriegt man ein mulmiges Gefühl.

Ich habe im Fernsehen gesehen, wie eine italienische Krankenschwester einem terminal Kranken mit Atemnot (Warum war der nicht beatmet und sediert?) aus der Hand Morphium gab, und dann war es schnell vorbei. Was wird das mit dieser Krankenpflegerin machen? Das erinnert an Schwester Michaela einst in Wuppertal oder Pfleger Niels in Lüneburg. Wenn nur Fehlplanung und unzureichendes Katastrophenmanagement dazu führen, liegt das nicht weit weg von diesen Verbrechen. Triage bringt uns eventuell dazu. Medizinethik und Ressourcenmangel in der Krisensituation.

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Albrecht Lang

    Heute hat das Bundesverfassungsgericht eine Pressemitteilung veröffentlicht zu einer Entscheidung im Umfeld Triage und COVID-19. Hier geht es zur Pressemitteilung. Neun Vorerkrankte bzw. Behinderte hatten gegen die Bundesregierung geklagt wegen Untätigkeit in der Problematik. Sie verlangten ein Gremium einzusetzen, dass die Modalitäten genau regeln sollte. Das BVG hat diesen Eilantrag abgelehnt, da inzwischen keine Notlage mehr zu erwarten sei, und der Gesetzgeber mehr Zeit dafür benötige.

    Ohne direkte Not hatten sich ärztliche Fachverbände mit dem Wortführer DIVI Anfang April 2020 und in einer schon korrigierten Version am 17.4.2020 geäußert. Hier geht es zur DIVI Triage Leitlinie Version 2. Zu diesem Zeitpunkt bestand keine Überlastung des Systemes. Ich bleibe dabei, dass man hier genau hinschauen muss. Wir haben im Deutschland noch immer den Umgang des Dritten Reiches mit sogenanntem lebensunwerten Leben vor Augen. Für vorauseilenden Gehorsam wem auch immer gegenüber gibt es keinen zwingenden Grund.

    Das Augenmerk der Gesellschaft ist nun wieder auf die Problematik gerichtet.

    Hier geht es zu DIVI-Suche-Ergebnisse „Triage“. Dort findet man die Triage-Empfehlungen in der jeweils aktuellen Form.

  2. Albrecht Lang

    Nun hat sich auch noch Margot Käßmann als ehemalige Frontfrau der EKD zu Corona zu Wort gemeldet: Die 61 Jahre alte Käßmann hatte dem Straßenmagazin „Asphalt“ (Anm.: dessen Mitherausgeberin sie ist) gesagt: „Wenn ich wüsste, dass die Kleinen und Jüngeren wieder rauskönnen, wenn wir, die über Sechzigjährigen, die Risikogruppen, zu Hause blieben, wenn das der Deal wäre, dann würde ich mich darauf einlassen.“

    Die Älteren hätten ein gutes Leben gelebt und seien „mehrheitlich die Luxusgeneration, die es so gut hatte wie keine Generation vorher und keine danach“. Deshalb sei es angesichts der Bedrohung durch Covid-19 jetzt an ihnen, zugunsten der Kinder zu verzichten.

    Damit hat sie natürlich ordentlich viel fundierte Kritik geerntet. Henning Scherf (oh!) nennt dies völlig verdreht, Kevin Künert (!) spricht von Diskriminierung der Älteren, Heinz Hilgers vom Deutschen Kinderschutzbund sagt, dies sei der falsche Weg.

    Käßmann verteidigt anschließend auch noch den Begriff „Luxusgeneration“, der nicht nur materiell gemeint sei.

    Mich erstaunt, dass eine prominente Sprecherin der Amtskirche sich so outet. Sie selbst ist außerordentlich begünstigt, und hat vermutlich keinerlei materielle Sorgen. Genügend Aufmerksamkeit wird ihr sowieso zuteil. Sich selbst als Beispiel für Andere hinzustellen, das hat da schon etwas von Egozentrik. Die Mehrzahl der Älteren kann sich diese Sicht auf die Dinge nicht leisten. Wir sind froh, dass wir bisher einigermaßen gut über die Zeit weggekommen sind. Ein „Opfer“ einzufordern, ist schon befremdlich, wenn man an die Situation in den Heimen denkt. Hat sie etwas nicht mitgekriegt? Ist ihr Vorschlag in irgendeiner Weise durch Fakten, durch epidemiologische Überlegungen begründbar?

    Ich meine, Frau Käßmann erliegt da einer Illusion, ihr Ansinnen stellt eine Art Edel-Fake-News dar. Moralisch hochwertig!

    https://www.evangelisch.de/inhalte/170712/28-05-2020/kaessmann-erntet-empoerung-fuer-deal-der-generationen-bei-corona

  3. Albrecht Lang

    Jetzt hat es der Sarrazin der Grünen, Boris Palmer aus Tübingen, das Unsagbare ausgesprochen: „Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären.“ Also doch, Corona nur für Ältere. Was für ein Menschenbild! Weg mit den Alten! Hat er die Verhältnisse in Italien, Spanien, Ostfrankreich oder Wuhan vergessen? In den chaotischen Situationen starben auch viele Jüngere. Klar, die Hälfte der Gesundheitsausgaben erfolgte auch vor Corona bei den Menschen über 65 Jahren! Will er da eingreifen wie im Dritten Reich? Gibt es bald wieder Unwertes Leben?

    Selbstverständlich soll das Leben auch im Alter möglichst selbstbestimmt bleiben. Der Umgang mit schweren Erkrankungen möge doch bitte durch individuelle Patientenverfügungen geregelt werden. Nicht durch staatliche Vorgaben. Hier ist die Aufklärungsarbeit nötig.

    1. Am 8.5.20 berichtete die Tagesschau, das die Zahl der durch Tod infolge COVID-19 verlorenen Lebensjahre etwa zehn Jahre beträgt. Als Quelle wird eine Studie des NDR genannt, die analog einer britischen wissenschaftlichen Arbeit modelliert wurde. Aber auch aus Statistiken der Lebenserwartung generell ist das bekannt: Wer 80 Jahre alt wurde, hat noch etwa 10 Jahre zu leben. Statistisch gesehen. Insofern ist die Aussage von Boris Palmer nicht nur zynisch, sondern einfach falsch!

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