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Das AHA-Erlebnis

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Weg mit den Grenzen zur Natur!

Bereits im 18. Jahrhundert war ein Aha (oder auch Ha-Ha) ein gestalterisches Element in der Anlage von Parks, insbesondere in England, aber auch in Deutschland. Es ging darum, dem Gartenbesucher einen nicht durch Zäune oder Mauern gestörten Blick in die weitere Umgebung zu ermöglichen. Das Aha-Erlebnis. Denn die gehobenen Schichten hatten schließlich die Natur entdeckt. Gleichzeitig war den unerwünschten Besuchern von draußen der Zugang durch eine Stufe in der Landschaft versperrt, die oft mit einer tiefer stehenden Mauer oder einem abgesenkten Zaun versehen war.

Das Aha steht also bei positiver Deutung für einen ungestörten Blick in die Natur. Nun gehe ich mal durch mein Haus, um solche Effekte zu entdecken. Ich habe in den beiden oberen Stockwerken eine beträchtliche Anzahl von Grünpflanzen und Orchideen wie etwa 7 Phalaenopsis-Arten sowie Bergpalmen und Sukkulenten. Und sie begleiten mich teilweise schon viele Jahre, manche Jahrzehnte. Und wenn man so will, resultiert durch die Pflanzen, die oft vor raumhohen Fenstern aufgestellt sind, genau so ein Aha-Effekt. Die Natur, das Grün beginnt im Raum und erstreckt sich visuell fast ohne erkennbare Grenze weiter in den Garten, in die Umgebung.

Das ist das Prinzip: Der Wohncharakter soll suggerieren, dass man mitten in der Natur lebt, die sich zumindest mit ihren Ausläufern bis in den eigenen Wohnbereich erstreckt. Die Grenzen werden fließend, am liebsten möchte der Betrachter eins mit der Natur sein. Es handelt sich hier wohl um ein urmenschliches Bedürfnis. Ich denke, das ist die Botschaft. Das Aha-Erlebnis.

Jetzt müssen nur noch mal die Fenster geputzt werden.


Da habe ich neulich in Zeit Online gelesen, dass das Grün in der Wohnung in der Ära des Home-Office ein Megatrend sei. Der Versandhandel habe sich schon darauf spezialisiert und biete z. B. für Newbies Grünpflanzen-Sets für günstige 119,90 € an. Dann holt der Autor weit aus und bemüht das Wort Biophilie. Was ist das denn? Nie gehört.

Biophilie

Biophilie ist ein beispielsweise vom Psychoanalytiker Erich Fromm favorisierter Fachbegriff. Biophil ist der Mensch, der das Lebendige und das Leben liebt. Der Gegenpol wird durch den Fachbegriff Nekrophilie dargestellt, der für das Böse steht. Leute, wir merken, dass wir mitten in der Philosophie angekommen sind. Es wird somit kompliziert.

Erich Fromm hat den Begriff weiter gedeutet in das menschliche Verhalten hinein. Biophil-produktiv zu sein steht für das Gute im Menschen schlechthin, nicht-produktiv-nekrophil wäre der negativ besetzte Gegenpol. Er hat daraus eine besondere Ethik entwickelt.

„Die Biophilie ist die leidenschaftliche Liebe zum Leben und allem Lebendigen; sie ist der Wunsch, das Wachstum zu fördern, ob es sich nun um einen Menschen, eine Pflanze, eine Idee oder eine soziale Gruppe handelt.“

E. Fromm: Anatomie der menschlichen Destruktivität. Rowohlt-Verlag, Hamburg, 25. Auflage, November 2015. S. 411ff, Zitat nach Wikipedia

Die Nähe zur Natur, das Kümmern darum steht hier somit stellvertretend für unser gesamtes Verhalten, zu unseren Mitmenschen, zur Gesellschaft, zur unbelebten und zur belebten Umwelt. Das ist eine gute Idee, wie ich meine.

Waldboden

Das Aha sollte dann aber nicht bloß eine private Illusion sein, nicht nur eine romantische Idee. Denn das Aha-Erlebnis ist in der Landschaftsarchitektur nur für denjenigen toll, der drinnen ist. Es verschärft für alle Anderen die Abgrenzung, richtet sich gegen die Schwachen, die einfachen Leute, die Fremden.


Noch ein Wortspiel am Schluss: Denn Aha steht in der Coronazeit als AHA-Formel für Abstand, Hygiene und Alltagsmaske. Als übergeordnetes Prinzip drückt diese Formel die Achtung vor den Mitmenschen aus, den Respekt, die Sorge um den Anderen.

Das Aha-Erlebnis, der Aha-Effekt, die Biophilie, die AHA-Formel. Der Kreis ist geschlossen.

Gartenbaum

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