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Whale watching vor Teneriffa

Binge Whale Watching

Zu viel Wahl-TV!

Die Wahl ist endlich geschafft! Schon vor vier Wochen haben wir per Briefwahl gewählt, wie denn auch sonst. Dem Sohn in Amerika habe ich seine Wahlunterlagen zugeschickt. Per UPS Worldwide Express (ca. 70 USD) traf der Wahlbrief rechtzeitig hier wieder ein. Hab‘ ihn – den roten – schnell in den nächsten Briefkasten geworfen. Wahl gewonnen! So könnte man denken.


Ab halb sechs am Wahltag steht der Fernseher im Mittelpunkt. Um sechs kommen schon mal erste Ergebnisse aus Befragungen. Bald scheint es so, dass Union und SPD gleichauf liegen. Trotz des vorhergesagten Erfolges der SPD. Wie kann das sein? Na gut, der Anteil der Briefwähler ist höher als jemals zuvor. Und die Auszählung dieser Stimmen beginnt erst nach 18 Uhr. Da helfen Befragungen nur wenig.

Nun beginnt eine lange Hängepartie. Sprecher des ZDF zeigen bereits erste Grafiken. Dann ist erstmal Schluss damit. Denn in ZDFneo läuft Inspektor Morse. Anderthalb Stunden etwas anderes als ermüdende Wahlberichtserstattung. Der sympathische Inspektor lenkt ab.

Etwa 21 Uhr ist dann erstmal Präsentation der Hauptakteure. Laschet sieht immer noch den Auftrag zur Regierungsbildung, ist wortreich und unscharf, so wie immer. Scholz sieht sich als den neuen Bundeskanzler, er wirkt ruhig und staatstragend. Wie Merkel. Baerbock wirkt nicht besonders zerknirscht, sie redet noch am präzisesten, verkündet eine Art Regierungsprogramm. Lindner gibt sich als Stratege und sagt dennoch beinahe nichts Konkretes. Er möchte mit den Grünen sprechen.

Söder labert ohne Ende, sagt aber auch nichts Greifbares. Frau Weidel lobt sich selbst, betont die Verluste durch Kleinparteien wie Der Dritte Weg oder Die Basis. Die Vorsitzende der Linken ist ehrlich und beschönigt nichts. Noch ist unklar, ob sie die 5 %-Hürde schafft. R2G bleibt Utopie, soviel ist jetzt schon klar.

Bis etwa 22:30 schauen wir zu, dann soll eine Talkshow mit Maischberger starten. Nein – nur das nicht! Lieber ab ins Bett. Ohh, da klingelt schon das Telefon. Der Sohn aus Amerika ruft an, sitzt offensichtlich auf dem Damm zum Mississippi. Mann, ist der Himmel dort wolkenlos und hellblau!

Der Junge Mann wundert sich, dass die Grünen viel schlechter abgeschnitten haben, als es vor Monaten wirkte. Habe gesagt, dass mehr als 5 % Stimmenzuwachs objektiv schon viel sind. Der Wähler ist halt ein NIMBY. Menschengemachter Klimawandel ist doch bitteschön zuerst mal Sache der anderen. Das ist doch klar. Die Mehrheit der Deutschen sieht zwar den Klimawandel, aber die Änderungen an unserer Lebensweise sollen doch bitte gering sein. Nur keine Einschränkungen!

Noch ein paar Messages hin und her, dann ist Nachtruhe angesagt.

Am nächsten Tag gibt es ein amtliches Endergebnis. Die SPD liegt („Donnerwetter, sind die beständig!“ – So der spontane Kommentar von Joe Biden) 1,7 % vor der Union! In meiner lokalen Zeitung RGA ist dennoch von einem Kopf-an-Knopf-Rennen die Rede. Die scheinen die schwere Niederlage der CDU noch nicht verdaut zu haben. Auf NRW bezogen ist der Unterschied zwischen SPD und CDU etwa 3 %.

Bei der Betrachtung der Erstwähler ist bemerkenswert, dass der Anteil von FDP und Grünen jeweils bei 23 % liegt. SPD und CDU liegen weit dahinter, die A-Partei bei 6 %. Umgekehrt liegt bei den über 60-jährigen die SPD vorne, bei 35 %. Die CDU liegt bei 34 %, hat somit diese Bastion verloren. In dieser Altersgruppe wählen nur 9 % die Grünen.


In Wahlkreis 103 Remscheid, Solingen, Wuppertal Süd hat es Ingo Schäfer als der Kandidat der SPD mit 33 % geschafft, erstmal seit vielen Jahren, Jürgen Hardt als Kandidat der CDU liegt bei nur 28 %. Im lokalen Wahlbezirk Remscheid Diepmannsbach liegt die SPD bei 33 %, die CDU bei 30 %, FDP und AfD bei 9 %, Grüne bei 13 %.


Der Wähler hat gesprochen, aber nicht so, dass nun eine Gruppe durchregieren kann. Ich habe mal einige mögliche Botschaften aufgeschrieben:

  • CDU/CSU sind auf dem Weg in die Opposition!
  • 16 Jahre Merkel waren genug.
  • Armin Laschet ist nicht als Kandidat akzeptiert.
  • Olaf Scholz und die SPD scheinen noch die größte Kontinuität zu bieten.
  • Olaf Scholz erinnert mit seinem präsidialen Auftreten an Angela Merkel.
  • Die „Alte Tante“ SPD ist wieder da!
  • Die Grünen sind stark geworden. Aber nicht so stark, wie zunächst erhofft.
  • Die FDP muss sich nun bewegen, um dem Wählerwillen gerecht zu werden.
  • Die Parteien an 3. und 4. Stelle entscheiden über den neuen Kanzler.
  • Die Wahl war eine Entscheidung gegen R2G.
  • Dem Westen bietet die A-Partei keine Alternative.
  • Die A-Partei entwickelt sich zur Ostpartei. Sie hat dort immerhin 10 Direktmandate erhalten.
  • Die Spaltung zwischen West und Ost gibt Anlass zur Besorgnis.
  • Alte wählen nun vermehrt die SPD.
  • Die Jungen wählen vorwiegend Grüne und FDP.
  • Angesichts des menschengemachten Klimawandels hat der Deutsche Angst vor der eigenen Courage.
  • Der Wahlbürger wünscht eine ideale Mischung zwischen sozialen Aspekten, Klima- und Umweltmaßnahmen und funktionierender Wirtschaft.
  • Der Wähler möchte die Zusammenarbeit von mindestens drei Parteien. Das hat etwas mit Demokratie zu tun.
  • Die 4 erfolgreichsten Parteien sind sich über die Grundpositionen der Außenpolitik weitgehend einig.
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