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Blockbuster bei Medikamenten

Was darf Gesundheit kosten?

In unserer kleinen Mailgruppe ging die Diskussion neulich darum, ob Standardmedikamente letztlich nur den Herstellerfirmen und den Ärzten nutzen. Das mag eine mögliche Sicht der Dinge sein. Andererseits wäre es eine Missachtung von Fortschritten in der Medizin, wenn das allgemeingültig sein sollte. Denn auch unter Beachtung der Kriterien der evidenzbasierten Medizin werden viele Medikamente schon einen Nutzen haben, und sei er auch nur gering.


Doch abseits der Standardmittel geht die Post ab! Schauen Sie auf die Liste. Humira als TNF-Blocker steht schon lange auf Platz eins der umsatzstärksten Medikamente weltweit. Hier werden heute die Gewinne erzielt, nicht mit alten Blutdruckmitteln, dem uralten Metformin oder traditionellen Cholesterinsenkern. Atorvastatin ist schon lange nicht mehr auf Platz eins.

Die Mehrzahl der Medikamente in der Liste wird in der Krebstherapie eingesetzt. Ich habe mich oft gefragt, wie die behandelnden Onkologen auf ihre Kosten kommen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt! Sie erhielten mal Quartalspauschalen von ca. 250 Euro. Ein Therapiezyklus mit Avastin kostete mehr als 60.000 Euro/Jahr. Da stimmten die Relationen zwischen der Verantwortung einer Therapie, der Aufklärung, der Patientenführung und der Umsetzung auf der einen Seite und den Substanzkosten auf der anderen Seite gar nicht mehr. Sollte doch Roche den marginalen Anteil der Kosten für die Therapiedurchführung auch noch übernehmen!

Man staunt, dass die Gerinnungshemmer Xarelto und Eliquis es so weit nach vorne geschafft haben. Ich erinnere mich noch an deren Einführungszeit in der Klinik, und mit welcher Kraft die gepusht wurden. In einer Montagsfortbildung um 7:45 waren bei einem Termin die Marketingleiter Europa von drei Herstellern von NOAKs anwesend! Ich fand es damals empörend und habe das auch so geäußert, dass das Komplikations-Management bei Blutungen unter NOAKs anfangs völlig ungeregelt war. Bayer hat 2018 in den USA eine Strafe von 775 Mio USD u. a. wegen aggressiven Marketings gezahlt.

Interferon bei Hepatitis C ist auch so ein nun schon historisches Beispiel. Hier galt das Gleiche wie in der Krebstherapie: Ein Riesenaufwand bei der Patientenführung auf der einen Seite wegen Nebenwirkungen und anfangs 60.000 Euro Substanzkosten pro Zyklus. Da hätte man auch sagen können: Macht es doch selbst! Es gab aber Schwerpunktpraxen dafür. Wie die sich wohl finanziert haben? Ich hatte mal eine Pharmaeinladung für ein Wochenende auf dem Schiff Queen Elisabeth 2. Skandalös! Ich hätte die Einladung an eine Zeitung weiterleiten sollen!

Bei Harvoni von Gilead schienen die hohen Kosten von 40.000 Euro pro Zyklus bzw. 800 Euro für eine Tablette pro Tag akzeptabel zu sein, da eine Heilung bei chronischer Hepatitis C in 90 % der Fälle nach nur 12 Wochen Therapie möglich ist. Eine Diskussion darüber ist dennoch sinnvoll.

In der Gastroenterologie wurden zahlreiche Biologicals (wie Humira, Enbrel, Infliximab u. w.) im Rahmen der Therapie der entzündlichen Darmerkrankungen eingeführt. Dafür hat man extra den Begriff des „Mucosal healing“ geschaffen, den eher solche Substanzen zumindest vorübergehend bieten können. Die traditionellen Mittel wie Mesalazin, Prednisolon, Azathioprin oder Ciclosporin werden kaum noch beforscht, sie sind offensichtlich langweilig. Denn hier gibt es nichts mehr zu verdienen.

Man merkt, dass Medikamente mit Power zum Blockbuster aufgebaut werden müssen. Es wäre interessant zu wissen, welche Summen in diesem Zusammenhang an Meinungsbildner geflossen sind und fließen. An mich jedenfalls nicht.

Es lohnt sich, mal auf der Webseite des IGWiG, Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), einer Einrichtung des Bundesgesundheitsministeriums, nachzuschauen und die Bewertungen für obige Substanzen zu checken. Hoffen wir, dass die Lobby nicht schon wieder alles unter ihrer Kontrolle hat, so wie im Bereich der Automobilindustrie.


Liste der weltweit umsatzstärksten Medikamente 2018

RangPräparatenameWirkstoff(e)Umsatz in Mrd. USD[1]Umsatz in Mrd. USD[2]ZulassungsinhaberWirkstoffgruppe
1HumiraAdalimumab19,920,47AbbVieTNF-Blocker
2RevlimidLenalidomid9,79,69CelgeneImmunmodulatoren
3KeytrudaPembrolizumab7,27,17MerckImmunmodulatoren
4HerpectinTrastuzumab7,17,05RocheKrebsimmuntherapeutika
5AvastinBevacizumab76,92RocheAntineoplastika
6Rituxan/MabTheraRituximab6,96,82RocheAntineoplastika
7OpdivoNivolumab6,77,57Bristol-Myers SquibbCheckpoint-Inhibitor
8EliquisApixaban6,49,87Bristol-Myers SquibbAntikoagulanzien
9Prevenar 13Pneumokokkenpolysaccharide5,725,80PfizerPneumokokkenimpfstoff
10StelaraUstekinumab5,75,25Johnson & JohnsonInterleukininhibitor
EnbrelEtanercept7,45Amgen, Pfizer, TakedaAntirheumatika
XareltoRivaroxaban6,85Bayer, Johnson & JohnsonAntikoagulantien
ImbruvicaIbrutinib6,61AbbVie, Johnson & JohnsonTyrosinkinase-Inhibitoren
EyleaAflibercept6,55Bayer, RegeneronAntineoplastika
RemicadeInfliximab6,44Johnson & Johnson, Merck, Mitsubishi TanabeTNF-Blocker
Creative Commons Attribution/Share Alike, Tabelle stammt von Wikipedia

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