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Grimaldi, die Spardose, auf dem "Samtkissen"

Unbekannte Finanzwelt

Heute geht es ums Geld!

Also mal ehrlich, ich verstehe von der Finanzwelt eigentlich beinahe gar nichts! Im Prinzip bin ich auf dem Niveau des Sparschweines (oder des Sparhundes wie im Beitragsbild) stehengeblieben. Höchstens seine etwas modernere Variante Tagesgeldkonto ist mir ein bisschen vertraut. Die Finanzwelt, die große Unbekannte.

Ist das nicht eine Schande, wo ich doch an einem Weltspartag geboren wurde? Für ein Medizinstudium samt Promotion hat es immerhin gereicht. Aber nicht für eine Grundbildung im Finanzwesen und seinen Zusammenhängen. Es ist nicht zu verstehen, dass dieses Thema keinen Platz in Lehrplänen hat. Oder sollen diejenigen dumm bleiben, die diese Kenntnisse nicht ohnehin durch ihre Herkunft haben?


Zurzeit liefern Sparbuch und Tagesgeldkonto keine Erträge. Guthaben auf normalen Girokonten sind mit Strafzinsen (z. B. 0,5 % p. a.) behaftet. Baukredite über 200.000 Euro gab es im September 2021 für 0,6 % bei Zinsbindung 12 Jahre fest. Die Inflationsrate liegt bei knapp 4,5 %, über zwei Jahre betrachtet allerdings nur ein wenig höher. Corona lässt grüßen.

Die Deutsche Bank, bei der ich seit Urzeiten Kunde bin, hat mich genötigt, eine Zustimmungserklärung zu Strafzinsen zu unterschreiben. Anderenfalls würde mir die Bank kündigen, so sagte die mir lange bekannte Mitarbeiterin. Verrückte Welt! Braucht die Deutsche Bank keine Privatkunden mehr?


Schaut man auf die Börse, so kommt weiteres Unverständnis auf. Obwohl die internationalen Handelswege derzeit immer noch durch die pandemiebedingten Schwankungen gestört sind und Coronavirus immer noch nicht überwunden ist, ja schon wieder ein Lockdown droht, hat der DAX gestern einen neuen Höchstwert erreicht. Der amerikanische Dow-Jones-Index ist auch nicht weit von seinem Höchststand entfernt.

DAX am 16.11.2021, nach Tagesschau.de
VPI D Weltbank CC BY-4.0

Nochmal kurz: Die Weltkrise um COVID-19 ist noch lange nicht vorbei. Die Inflation ist so hoch, wie schon lange nicht mehr. Zinsen sind so tief, wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Und die Aktienmärkte sind dennoch auf Rekorde gepolt. Wo bleibt die Logik?

Inflation VPI für Deutschland von Weltbank CC BY-4.0

Mein Sohn hat mir zum Geburtstag ein dickes Buch mit dem klangvollen Titel Das Kapital im 21. Jahrhundert geschenkt. Der französische Ökonom Thomas Piketty hat es schon 2013, vermutlich geprägt von der Finanzkrise 2008/2009, geschrieben. Der Autor lenkt das Augenmerk auf die historischen und weltweiten Zusammenhänge und die große Ungleichheit der Besitz- und Einkommensverhältnisse.

Allerdings ist der Text schwere Kost. Es wäre schön, wenn der Autor uns an seinem übergeordneten Gedankengang teilhaben lassen würde. Ich bin nicht sicher, ob das Buch mir hilft, die oben beschriebene paradox erscheinende Situation von heute zu verstehen.

Nur den Anfang des Filmes Oecomania von Carmen Losman aus dem Jahr 2020 habe ich mir angeschaut. Der Film wurde auf der Berlinale 2020 hochgelobt. Er soll die Zusammenänge zwischen Wirtschaftswachstum, Verschuldung und Vermögenskonzentration, ja die Spielregeln des Kapitalismus darstellen. Langatmige leere Szenen mit gesichtsloser Bankenarchitektur brachten mich zum Drücken der Taste Aus auf der Fernbedienung.


Ich bin vor gut drei Jahren mal bei einem freundlichen Berater einer regionalen Bank gewesen. Er hat sich immerhin zwei Stunden für mich Zeit genommen. Und mir einen ETF auf den Euro STOXX 50 und einen normalen Fond seiner Hausbank verkauft. Obwohl ich klar gesagt hatte, dass ich nach meinem bescheidenen Wissen eine Langzeitanlage (Buy and forget) in einen ETF auf den MSCI World für sinnvoll halten würde. OK, er hat sich Mühe gegeben, mir auch viel erklärt. Jede Menge Zettel musste ich zu seiner Absicherung unterschreiben. Dennoch denke ich, dass Depot- und Kaufkosten als Vergütung der Beratung gut angelegt waren. Es geht natürlich auch viel günstiger, dann aber ohne jede Beratung.

MSCI World Aktienindex seit etwa 1994

Hier eine Grafik des Langzeitverlaufes des MSCI World Index, eines wichtigen Aktienindex mit Betonung der USA. Seit Jahrzehnten steigt der im Mittel etwa 15 % pro Jahr. Natürlich weist der Index in kürzeren Perioden betrachtet erhebliche Schwankungen auf. Baut sich aktuell gar eine Blase auf, die in einem Crash enden könnte? Hellseher müsste man sein!

Wie soll man diese Grafiken zusammenfassen?

Es wirkt auf mich so, als ob über viele Jahre gesehen die Inflationsrate etwas mit der Wertsteigerung der Aktienindizes zu tun hat. Ob sie direkt oder durch weitere Faktoren voneinander abhängen, weiß ich nicht. Also Vorsicht. Eins ist aber klar: Die konventionelle Geldanlage mit dem „Sparbuch“ ist bei den bestehenden Niedrigzinsen ein schweres Verlustgeschäft. Und das schon sehr lange.

Der traditionelle Sparer, der so wie ich die Ersparnisse aus seiner Erwerbstätigkeit gewinnt, wird langfristig regelrecht enteignet. Der jährlichen Lohnsteigerung per Tarifvertrag beispielsweise käme somit gesellschaftlich gesehen eine zwingende Bedeutung zu im Hinblick auf den Lebensstandard der abhängig Beschäftigten. Für die Rentner gilt das analog.

Die Welt scheint sich in „Besitzende“ und „Arbeitende“ aufzuteilen. Wer so wie ich früher einfach nur vergleichsweise viel arbeitet, jede Menge Überstunden macht, eine Familie hat, dafür aufkommt, und etwas spart, wird so nie aus der Abhängigkeit herauskommen. Das Prinzip „Spare, damit du später davon etwas hast!“ funktioniert nicht mehr. Zumindest nicht über viele Jahre gesehen.

Unbekannte Finanzwelt! Ich halte es für unerlässlich, mehr davon zu verstehen.

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