Selbsterfahrung Arzt als Patient

Heute früh ist es noch dunkel draußen. Es stürmt und regnet wie wild. Ich habe etwas verschlafen, fahre den Rollladen im Schlafzimmer hoch. Schon peitscht der nächste Regenschauer über das Haus. Ich glaube, das wird nichts mit dem Aufstehen. Meine Liebste bringt den Kaffee ans Bett. Ein echter Regentag im Herbst 2025.

Was war das für eine schräge Woche! Zwei Arztbesuche führen mir das Spektrum des deutschen Gesundheitssystems vor Augen. Obwohl ich als Arzt und Privatversicherter eigentlich gut damit zurechtkommen müsste. Aber selbst dann ist man nicht gegen Willkür durch Kollegen gefeit. Was war das nochmal, die hippokratische Tradition? Es geht hier um meine Selbsterfahrung Arzt als Patient. Nicht nur „Der Arzt als sein eigener Patient“.

Mein Hausarzt in Remscheid hat mich ernst genommen. Ich schätze bei ihm seine Freundlichkeit und sein Augenmaß, seine fachliche Korrektheit. Von Igel-Leistungen hält er gar nichts. Warum ein Ultraschall-Screening machen, wenn der Nutzen nicht bewiesen ist? Die neue Screening-Leitlinie der Fachgesellschaft für Urologie verstehen wir beide nicht. Soll PSA nun für Screeningzwecke genutzt werden oder nicht? Was ist in meinem Alter angesagt? Wir sind uns darüber einig, dass die tiefe Senkung des LDL-Cholesterins in höherem Alter nicht so wirksam ist, somit die Nebenwirkungen eine höhere Bedeutung haben.

Mein anscheinend überlasteter örtlicher Kardiologe hatte mir ungefragt einen Termin zur Ablation beim Rhythmologen beschafft. Hat er denn die Berichte des Rhythmologen und den des Kardio-MRT überhaupt gelesen? Somit musste ich regelrecht mein Veto dagegen einlegen. Das hat auch funktioniert, natürlich. Aber diese Aktion hat mit drei unruhige Wochen beschert.

Ich fahre aber am 2.10.25 trotzdem nach Köln zum Rhythmologen für ein Beratungsgespräch. Wie vermutet, ist das eigentlich überflüssig, denn es gibt bei mir gar keine neuen Aspekte. Ich bin unverändert asymptomatisch und belastbar, habe eine normale Ventrikelfunktion. Die ESC-Leitlinie Ventrikuläre ES und Prävention plötzlicher Herztod sieht in meinem Falle bei normaler Ventrikelfunktion jährlich Kontrollen vor. Und bei paroxysmalem Vorhofflimmern kann man sich so oder so entscheiden. Es gibt keine obligate Empfehlung zur invasiven Ablation oder Pulmonalvenenisolation, insbesondere weil ich asymptomatisch bin.

Ich stelle auch hier die Frage, ob es denn nötig sei, das Gesamtcholesterin auf 100 mg% und das LDL-Cholesterin auf 50 mg%, die Triglyceride auch auf 50 mg% abzusenken. Das hat bestimmt allgemeine Nebenwirkungen, nicht nur Muskelschmerzen nach körperlicher Belastung. Deshalb lasse ich Atorvastatin an solchen sportlichen Tagen weg. Ach ja, und das Fahrradfahren mache mir seit der Einnahme von Eliquis keinen Spaß mehr, wegen immanenter Sturzgefahr und Hirnblutungsrisiko. Die Empfehlung des Rhythmologen lautet, doch einen Helm aufzusetzen. Mache ich aber schon Jahrzehnte lang. Ich solle aber weiterhin Sport treiben, das sei wichtig. Mache ich ja.

Ich möchte hier festhalten, dass der Nutzen des Einnahme von Eliquis bei meiner Befundkonstellation („strukturell herzgesund“) um asymptomatisches paroxysmales Vorhofflimmern nicht durch Phase-III-Studien abgesichert ist. Die Unterscheidung zwischen kardioembolischem und primär ischämischem Schlaganfall ist nach meiner Einschätzung grundsätzlich sehr fragwürdig. Ist das im Einzelfall durch eine Bildgebung abgesichert? Eliquis mit dem Hersteller Pfizer ist derzeit das umsatzstärkste Arzneimittel in Deutschland. Cui bono? Diese Frage stellt sich auch hier. Ich werde das weiter beobachten.

Ich sage noch, dass ich mir nach dieser Aktion wohl einen neuen Hausarzt-Kardiologen suchen müsse. Mit der bisherigen Dokumentationsqualität sei ich ohnehin nicht zufrieden. Eine vernünftige Echokardiographie macht auch kein Experte in 2 Minuten. Als Konsequenz wird vereinbart, dass ich die nächste der jährlichen Kontrollen sachgerecht in Köln durchführen lasse. Der freundliche Rhythmologe händigt mir noch seine private Email-Adresse aus, um ihn im Bedarfsfall direkt zu kontaktieren, auch an seiner Chefsekretärin vorbei. Hört, hört! Eigentlich ist nun alles gut.

Dennoch kostet mich das Gespräch den halben Tag. Denn es ist heute Mega-Stau auf dem Rückweg nach Remscheid. Den gedanklichen Stress kann man nicht so einfach messen. Wie war das mit der hippokratischen Tradition, ich meine „Primum nihil nocere„? Die Selbsterfahrung Arzt als Patient zeigt, dass es nicht so einfach ist.

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