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17 Nachhaltigkeitsziele der UN

Nachhaltigkeit

Unwort des Jahres oder total angesagter Begriff?

Die ehrenwerte Agenda 2030 der UN nennt 17 Ziele und 169 Unteraspekte der Nachhaltigkeit. Sie sind weitreichend und enorm ausformuliert. Die Autokraten dieser Welt können damit bestimmt nicht viel anfangen. Unsere deutsche Bundesregierung bekennt sich 2018 zur Agenda 2030 und nennt 63 konkrete eigene Ziele! Das liest sich insgesamt wie ein Anflug von Weltethik. Leute, der Begriff hat es somit in sich. Meint ihr das ernst? Es könnte schließlich noch viel mehr daraus werden. Unser Zusammenleben erhält hier ein international gültiges Regelwerk. Es sind vielleicht die modernen 17 Gebote, die aber nicht religiös verstanden werden sollten.

Die 17 Ziele UN

Jede Partei, die etwas auf sich hält, hat den Begriff im Wahlprogramm, und das mindestens einmal. Auch die EU hat eine etwas spröde formulierte Kampagne initiiert. Nachhaltigkeit über alles. Bald gibt es ein EU-Gütesiegel sogar für Finanzprodukte. Sustainable oder responsible sollen alle Produkte sein.

Ökolabel der EU

Da ist mir doch heute beim Suchen im Web die Deutsche Bank aufgefallen. Im Abschnitt Finanzmarkt schwärmt sie geradezu von der Nachhaltigkeit, diese wird regelrecht beschworen. Es klinkt fast wie ein Glaubensbekenntnis.

Und das bei der Deutschen Bank, die doch sonst meist genannt wird, wenn wieder einmal Geld gewaschen wird, krumme Geschäfte gemacht werden oder Trump hofiert wird. Aber das sind ja nur Peanuts! Und diese Bank will ein Leader der Nachhaltigkeit sein? Was hat Klaus Schwab vom Weltwirtschaftsforum bloß mit denen gemacht?

Auch die DKB, eine typische Onlinebank, spricht in den höchsten Tönen von Nachhaltigkeit. Gut, diese Bank hat auch kein Schmuddelimage, sie gibt sich betont als Financier von Umweltprojekten. Die Kunden werden gerne zu nachhaltigen Produkten hingeführt. ETF-Sparpläne mit entsprechenden Fonds.

Auch die Allianz hantiert vollmundig mit diesem Begriff, das hatten wir bei diesem Giganten nicht anders erwartet.

Alle großen Fondsanbieter wie Blackrock haben schon oder entwickeln nachhaltige Produkte. Was soll man auch dagegen sagen, wenn die Führungen von börsennotierten Unternehmens nach bestimmten Kriterien bewertet werden, genauso wie die Produkte selbst, wie der Umgang mit Mitarbeitern, wie der Umgang mit Ressourcen, wie die Klimaverträglichkeit. Kinderarbeit, Sklaverei, Atomkraft, Waffen, Alkohol, Porno, Kohle, Erdöl und Ölsande zum Beispiel haben keinen Platz in nachhaltigen Fonds. So ist es jedenfalls in der Theorie.

Nachhaltige Geldanlage ist insbesondere in Europa im Trend. Hoffentlich ist das nicht nur Augenwischerei, wie ein kritischer Kommentar im Tagesspiegel nahelegt.

Google fährt aktuell eine Kampagne mit Imagewerbung: Die Google-Suche liefert Ergebnisse bei der Suche nach nachhaltigen Produkten wie Holz. Ach ja, das Wort „nachhaltig“ wird in Google Search 37 Millionen mal gefunden. Wie schön! Die sollten lieber mal die hinterhältige Datensammelei über uns lassen!

Auf Facebook gibt es massenhaft Gruppen, die unser Schlagwort enthalten. Hier herrscht definitiv kein Mangel an „Nachhaltigkeit“!

Nur die A-Partei tut sich mit diesem Begriff schwer. Sie möchte lieber einen nachhaltigen Politikwechsel. Die Finanzwelt hat den Begriff regelrecht okkupiert, und die wirtschaftsliberale Rechtsaußen-Partei will davon nichts wissen. Merkwürdig! Eben wird mir bei FB ein Post der A-Partei Sachsen untergeschoben. Warum eigentlich? Ist denn schon wieder Wahlkampf? Kernenergie sei eine nachhaltige Investition. Man könnte meinen, das sei ironisch gemeint. Aber natürlich nicht, denn diese Partei versteht keinen Spaß. Kernkraft sei Existenzgrundlage heißt es. Was in den Köpfen dieser Leute wohl vorgeht?

Natürlich hat die Industrie Öko-Mottos okkupiert. In einer BMW-Imagewerbung mit E-Autos und jungen Menschen heißt es doppeldeutig „Make the earth cool again!“ Warum schreit hier kein Plagiatsforscher auf? Das ist schließlich ein Motto von internationalen Umweltgruppen. Autos werden natürlich bei BMW total nachhaltig produziert. So ein Nonsens! Das Produkt ist das Gegenteil von nachhaltig!

VW gibt sich natürlich auch total nachhaltig, sorry einfach wegen des Dieselskandals. Schauen Sie selbst: Image ist alles! Selbstdarstellung pur! So eine Heuchelei!

Selbst Exxon soll es nun werden. Hier die spröde Erklärung auf der Website zur Sustainability. Ein kleiner Hedgefonds setzt gerade bei der Aktionärsversammlung drei entsprechend ausgerichtete Vorstände durch! Was soll auch aus dem Giganten im Laufe der Jahre werden, wenn er sich nicht bewegt?


Last not least: Selbst die Komikerin Carolin Kebekus verspricht, ihre Show sei nachhaltig! So jedenfalls in der Ankündigung im TV. Wie sagte noch Tim, unser beliebter Fernsehkoch, jeweils zum Schluss: Immer schön streufähig bleiben! Heute müsste er wohl streufähig durch nachhaltig ersetzen!

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Ingrid Ho

    Ich finde auch, das Nachhaltigkeit ein ganz schwammiger Begriff ist, und im herkömmlichen Sinn nicht positiv belegt. Meiner Meinung nach kann man etwas nur nachhaltig stören, und das Beste, was man tun kann ist, das zu lassen.
    Warum gehört eigentlich Wachstumsdogma zu den 17 Zielen? Und warum nicht die Beendigung des Bevölkerungswachstums? In letzter Zeit hab ich mehr und mehr das Gefühl, dass „die Welt retten“ zur bloßen Geschäftsidee verkommt. Da bleib ich lieber bei meiner althergebrachten religiösen Vorstellung von der Rettung der Welt.

    1. alrsl

      Danke für Deinen Kommentar, liebe Ingrid! Wie ein Begriff aus der deutschen Forstwirtschaft aus dem Jahre 1713 solche Karriere machen konnte, wer hätte das gedacht! Ich habe mich ja mal mit Qualitätsmanagement beschäftigen müssen. Unter „Früher war alles besser“ habe ich schon mal dazu geschrieben. Gerade große Firmen geben sich heute eine Art „Ethik“. Schlecht ist das bestimmt nicht, immerhin wird über Effekte des Handelns nachgedacht. Nur darf man den Zusammenhang nie vergessen. Ein Produkt wie eine Kampfdrohne zum Beispiel wird nicht dadurch aufgewertet, dass sie nachhaltig produziert wird. Die Sache mit der Weltethik sehe ich nicht so skeptisch. Denken wir doch mal an Hans Küng (verst. 6.4.21) und seine Stiftung Weltethos, auch wenn sich das hier in der intellektuellen Oberliga abspielt.

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