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Futuristischer Riesentraktor Dall-E-3 via Bing

Bauernprotest statt Klimaschutz

War ich vielleicht aufgeregt. Am 8.1.2024 war doch großer Bauernprotest für Remscheid angekündigt. Also Bauernprotest statt Klimaschutz. Auch in Remscheid sollte es laut Internet einen großen Umzug geben. Die Zentren der Stadtteile wären dann möglicherweise stundenlang durch die Monstertraktoren blockiert.

Doch der örtliche Bauernverband hatte schon früh abgewunken. Blockaden kämen hier nicht infrage. Man lehne auch die Beteiligung von Trittbrettfahrern aus der rechten Szene ab, also die generelle Politisierung. Ich habe gelesen, dass es in Remscheid nur noch fünf Vollerwerbslandwirte gäbe. Wir hatten nachmittags einen Termin in Remscheid, und den konnten wir tatsächlich mühelos wahrnehmen.

Ich habe nicht einen Traktor auf der Straße gesehen! Schade! Da war ich wirklich enttäuscht. Tolle High-Tech-Geräte sind das ja, diese Traktoren. Mit riesigen Reifen, starken Motoren, Getriebeautomatik, Super-GPS, klimatisierten Fahrerkabinen, Spitzengeschwindigkeiten bis 60 km/h. Dafür kosten sie schon mal mehr als 100.000 €, das Preislevel ist nach oben hin offen.

Mein Opa war Ortsbauerführer

Da ich ja bekanntermaßen aus einer Bauernsippe stamme, waren für mich diese Bauernproteste fast unerträglich. Mein Opa war in der Nazizeit schließlich Ortsbauernführer in Atzbach. Ich habe mich echt aufgeregt. Früher hat mich der Bezug meiner Vorfahren zur nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Ideologie in Wallung gebracht.

Doch heute wird teilweise wieder ähnlich argumentiert. Es ginge ja um die eigenständige Ernährung der Nation, des Volkes, so wird wieder formuliert. Ein übergeordneter Auftrag also. Wobei doch alle unsere Waren aus der ganzen Welt stammen. Das gilt auch für Nahrungsmittel. Alles ist heute mit allem verflochten. Die „Deutsche Ernährung“ gibt es nicht mehr. „MAGA“ für die Bauern, soll es das etwa werden?

Agrarsubventionen

In der Agrarbranche stammen etwa 50 Prozent des Ertrages aus direkten Subventionen, häufig der EU. Unter dem Eindruck der Haushaltsprobleme wurden die nur um wenige Prozentpunkte gekürzt, wie viele anderen Subventionen abseits der Agrarbranche auch. Das soll der Grund für Bauernproteste sein? Für mich hört da der Spaß auf. Auch wurden diese Kürzungen danach unter öffentlichem Druck schon wieder abgeschwächt. Aber die Proteste gehen weiter. Besonders die Galgen mit Ampel am Frontlader der Ackerpanzer finde ich total maßlos. Galgen als AFD-Symbolik bei einer Bauern-Demo. Geht’s noch?

Was wollen die Bauern eigentlich? Mit den Riesentraktoren drohen? Oder einfach nur angeben? Stehen sie denn außerhalb der Gesellschaft? Für mich wirkt das wie reiner Egoismus einer mächtigen Gruppe gegen die anderen meist schwächeren. Noch dazu hat sich der Ertrag der Betriebe in 2023 im Mittel verdoppelt zu 2022 auf nun im Mittel über 100.000 €. Wo es doch so viele Kleinbetriebe gibt. Ich meine die mit einer Ackerfläche < 20 Hektar zum Beispiel. Das ist alles im Situationsbericht 2023/2024 des Deutschen Bauernverbandes zu lesen. Richtig schlecht geht es den Bauern nicht, das kann man hier ausformuliert nachlesen. Warum dann großer Protest?

Persönliches Gespräch

Ich habe dann erst einmal meine Schwester, die mit ihrem Mann einen kleineren Bauernhof betreibt, angerufen, was sie denn von diesen Protesten hielte. OK, sie fände sie auch übertrieben. Natürlich seien die von den Rechten gekapert worden. Aber dennoch gäbe es echte Strukturprobleme. Gemeint ist die häufig zu kleine Betriebsgröße, die prinzipielle Ertragsschwäche bei Massenprodukten wie Weizen oder Milch. Ein drängendes Problem sei auch die mangelnde Attraktivität des Berufsbildes Bauer. Direkt damit verbunden ist das Nachwuchsproblem der Höfe. Das Berufsbild mit einer Verpflichtung 24/7, also rund um die Uhr wirkt wie aus der Zeit gefallen.

Konklusion

Übereinstimmend waren wir der Meinung, dass der Strukturwandel in der Agrarbranche weiter öffentlich unterstützt werden soll. Gemeint ist die Förderung der extensiven Landwirtschaft und die Direktvermarktung zum Beispiel. Nachhaltige Methoden müssen stärker gefördert werden als die Massenproduktion, also Agrarflächen. All das kann man auch im Situationsbericht der Branche nachlesen. Dennoch werden aus vielschichtigen Gründen viele Höfe aufgeben müssen. Leider ist es auf dem Bauernhof anders als in meinem früheren harmonischen Post. Mit Romantik und Idylle ist es in der Wirklichkeit nicht weit her.

Wir füttern die Hinkel
Wir füttern die Hinkel

Nachtrag

Bei der Lektüre zu diesem Post ist mir ein Artikel aus der Zeit in die Hände gefallen. Marcel Fratzscher vom DIW überschreibt seine Kolumne mit „Lieber für Klimaschutz protestieren“. Gemeint ist Bauernprotest für Klimaschutz. Lesen Sie doch selbst! Die hat bisher mehr als 1600 Kommentare. Die Mehrzahl davon gibt ihm recht. An den Likes von Kommentaren in der Zeit ist auch erkennbar, dass hier mehr als 65 % seine Meinung gut finden.

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