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Nicht nur Russland-Krise

Das passende Ambiente für Zar Wladimir

Heute scheint zum Glück mal die Sonne. Die Schneeglöckchen im Garten sehen nun richtig gut aus. Im Wohnzimmer ist es durch die Sonne schön warm. Das lässt die aktuelle politische Situation kurz vergessen, besonders die Kriegsangst und den Preisanstieg, insbesondere im Energiebereich. Wenn da nur nicht die Russland-Krise wäre.

Vor einem Jahr war es Trump, der uns mit dem von ihm gepushten Sturm auf das Kapitol einen gehörigen Schrecken eingejagt hat. Mit seiner Lüge von der gestohlenen Wahl, die zu einem Meme aufgebauscht wurde. Deswegen haben ihm Facebook, nun Meta genannt, und Twitter das Deplatforming beschert. Aber er ist wieder da, denn über eine Spendenaktion wurden Hunderte von Millionen Dollar eingeworben, die jetzt für den Aufbau einer Social-Media-Plattform für Trump genutzt werden sollen. Diese heißt ironischerweise Truth.

Ich denke, etliche der so gewonnenen Millionen wird Trump für seine Anwaltsrechnungen, die Begleichung von Steuerschulden und für Strafzahlungen aus Gerichtsverfahren gegen ihn benötigen. Seine langjährigen Unternehmensprüfungsgesellschaft hat sich gerade von ihm getrennt, wegen unklarer Bilanzen seit vielen Jahren. Da kommt bestimmt noch was nach. By the way, Trump findet die aktuellen Aktionen von Putin „genial“.

Auch Kanada rückt plötzlich in den Fokus. Das Land mit der hohen Lebensqualität und einer sehr hohen Impfquote ist uneins. Das ist ein Novum für uns in der jüngeren Geschichte. In der Hauptstadt Ottawa blockieren mehr als 100 Trucker mit ihren Monstern die Innenstadt und den Zugang zum Parlament. Hupkonzerte und Partystimmung täuschen über das eigentliche Ziel hinweg. Auch die direkt nach Detroit führende Ambassador-Brücke wurde durch Trucker blockiert, sie ist wegen der schieren Menge des Verkehrs enorm wichtig. Die Blockade hat nämlich direkte wirtschaftliche Auswirkungen.

Hinter diesen Truckern stehen extreme Rechte, gerade auch aus den USA. Die haben ähnlich wie bei Trump eine großangelegte Spendensammlung mit Millionenergebnissen zur Finanzierung der Blockade initiiert. Das Thema Protest gegen Corona-Auflagen ist offensichtlich nur ein vorgeschobenes Argument. Denen geht es in Wirklichkeit um die Delegitimierung der demokratisch gewählten Regierung um Justin Trudeau, um deren Rücktritt.

In Kanada ist als Meme schon länger die infame Verknüpfung von Trudeau mit Adolf Hitler in Gebrauch. Viele dortigen Corona-Demonstranten und -Blockierer benutzen wie die hiesigen Querdenker die Terminologie des Holocausts, sie tragen auch gerne Judensterne. Ach schnell nebenbei, der bekannte Kolumnist Martenstein ist nun nicht mehr für den Tagesspiegel tätig, nachdem er in seiner Weisheit gemeint hat, das Tragen von Judensternen durch Querdenker sei doch nicht antisemitisch.

Nach drei Wochen Blockade hat Justin Trudeau endlich Notstandsgesetze bemüht. Mit großem Polizeieinsatz und Einsatz von juristischen Mitteln wie der Haftbarmachung hat er aktuell die Blockade erstmal beendet. Bei Google Maps ist aber selbst heute noch viel Sperrung in der Innenstadt von Ottawa und Stau auch in Richtung Detroit zu sehen.

Wenn man so will, ist das, was gerade in Ottawa und Umgebung abging, die kanadische Variante des Sturmes auf das Kapitol. Es gibt in den benachbarten USA eine breit aufgestellte Rechte, denen die relativ liberale Grundhaltung der Menschen in Kanada ein Dorn im Auge ist. Und die kanadische Gesellschaft ist in dieser Hinsicht selbst gespalten, die liberalen großen Städte gegen konservative ländliche Gebiete bzw. umgekehrt. In Kanada droht deswegen sogar möglicherweise eine Verfassungskrise.

In Deutschland steht die analoge Spaltung der Gesellschaft derzeit nicht im Vordergrund. Mit den Querdenkern und antidemokratischen Gruppen geht es gegenwärtig eher bergab, die A-Partei stagniert. Sie sympathisiert interessanterweise mit Putin. Ironischerweise trifft das ebenfalls auch auf Teile der Linken zu.

Bei den anstehenden Neuwahlen in Frankreich scheint es nicht ausgeschlossen, dass die Rechte an Macron vorbeiziehen könnte. Was das wohl für Folgen für Europa hätte? Boris Johnson fällt mit markigen Sprüchen und unabgesprochenen Sanktions-Ankündigungen gegen die russische Elite auf. Ob er das wirklich umsetzt? Russische Milliardäre quälen?

Polen verhält sich ungewohnt soft in Richtung Brüssel, die umstrittene Justizreform will man nach aktuellen Mitteilungen doch den EU-Wünschen anpassen. Die USA werden Polen eine größere Anzahl von Kampfflugzeugen verkaufen. Die baltischen Staaten zittern, sie wissen, was der drohende Einmarsch Russlands in die Rest-Ukraine für sie ankündigen könnte.

Viele Regierungschefs und Außenminister antichambrieren in Moskau. Manchmal wirken die Bilder davon lächerlich, ich denke an Orban. Was soll sich der Westen, die Nato noch alles für schräge Forderungen anhören müssen?

Beinahe vergessen, die Türkei. Hier sorgt die überbordende Inflation für große Härten. Die Energiekosten machen der Bevölkerung schwer zu schaffen. Da das Getreide in der Türkei zu 70 % aus Russland importiert wird, verteuern sich selbst Backwaren dramatisch.

Ich möchte festhalten, dass Putin offensichtlich die Schwäche des Westens, also der Nato sieht. Die ideelle Spaltung der westlichen Gesellschaften ist offensichtlich. Die EU ist alleine schon wegen ihrer politischen Konstruktion schwerfällig, starke Gegenreaktionen sind von ihr eher nicht zu erwarten. Amerika und Kanada sind mehr mit sich selbst beschäftigt.


Eigentlich wollte ich lediglich über die letzten Ereignisse in der Ostukraine und die Selbstdarstellung von Putin in Moskau schreiben. Aber der scheint ja als Ziel die Neubelebung des Blockdenkens und die Wiederauferstehung der alten Sowjetunion zu haben. Putin dann wie ein Zar an der Spitze! Wie er gestern seinen Inlandsgeheimdienstchef vor der Weltöffentlichkeit gedemütigt hat! Was für ein Autoritarismus! Wahnsinn!

Was soll man nun für Schlüsse ziehen? So richtig weiß ich es auch nicht. Die westlichen Regierungen haben sich wohl auf sehr vorsichtige Wortwahl und flexiblen Umgang mit den russischen Maßnahmen geeinigt. Klingt vernünftig. Wird es dennoch bald einen blutigen Krieg in der Ukraine geben? Was folgt danach? Doch eine Russland-Krise?

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