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Sind wir News Junkies?

Herr Dobelli hat sich ganz schön weit vorgewagt. Er behauptet einfach, News seien komplett überflüssig, also weg damit. Und das tut er bestimmt auf jeder zweiten Seite seines trotz der nur 246 Seiten aufgebläht wirkenden Büchleins. Muss man die Botschaft denn so oft wiederholen? Brauchen wir ein Take-away nach jeweils 3 oder 4 Seiten? Die Redundanz ist mir zu viel. Die Laudatio direkt im Buch? Und Hintergründe in Kleindruck direkt nach dem eigentlichen Text? Ein kluger Essay wie 2013 in „The Guardian“ hätte es auch getan.

Ich hätte mir reale aktuelle Beispiele gewünscht. Neue Statistiken zum Newskonsum wären schön gewesen, auch bitte endlich mal welche zum Tracking. So wie es ist, wirkt das Büchlein wie aufgewärmt, skandalisiert, plakativ und etwas inhaltsleer. Wie News halt!

News würden uns nur Zeit stehlen, da sie keine wirklichen Inhalte darstellen. Das seien nur Aufreißer, die Werbung transportieren sollen. Und uns dabei aushorchen. Click baiting durch News etwa sei so ein böser Trick, um uns abzulenken. News würden nur unsere Aufmerksamkeit auf unwichtige Themen lenken. Sich danach erneut zu konzentrieren erfordere wiederum selbst Zeit. Und relevante Sachverhalte blieben unerwähnt. News seine nur Massenvernichtungswaffen gegen den gesunden Menschenverstand. 99 % der News hätten nichts mit der persönlichen Situation zu tun und würden nur gedanklich lähmen.

Die meisten Journalisten hätten überhaupt keine Ahnung von dem, worüber sie schrieben, sie würden nur von den Medienkonzernen vor sich hergetrieben. In der Wertschätzung der Berufe stünde Journalismus ganz unten. Und überhaupt solle doch jeder Journalist bei seinem Kernthema bleiben, man könne höchstens eines oder maximal zwei davon haben. Der einzig gute Journalismus sei der investigative. Akzeptabel sei höchstens noch der didaktisch wertvolle.

Er empfiehlt statt Newskonsum, mit sich mit Freunden zu treffen und kluge Gespräche zu führen. Und er rät dazu, wenige hochwertige Zeitschriften wie The Economist zu lesen. Dort auch nur die Hintergrundartikel der Herausgeber. Gerade deswegen sei der Newsverzicht auch keine Bedrohung für demokratische Prinzipien. Aktualität würde sich so oder so ergeben. „Was wirklich wichtig ist, erfährt man ohnehin.“

Ich hätte noch viel mehr zitieren können, aber dann würde der volle Inhalt bald hier stehen. Das war jetzt nur das, was mir so locker nach der Lektüre wieder einfiel.


So weit, so gut. Es wird wohl etwas dran sein an dem, was unser Autor mit den vielen angesammelten Lebensweisheiten empfiehlt. Es ist halt wieder einmal ein Brevier von Dobelli. Kurze Kapitel, nicht zu schmerzhaft, man kann es vor dem Einschlafen lesen.

Ein Rezensent des BR hat moniert, dass die obige krasse Journalismuskritik dem Schlagwort „Lügenpresse“ aus der rechten Szene entsprechen könnte. Er mahnt meiner Meinung nach zurecht zur Vorsicht.

Ich stelle zusätzlich fest, dass wir gerade miterleben, wie die sozialen Medien ihre Unschuld verlieren. Twitter und Facebook gehen – natürlich unter finanziellem Druck – erstmals konsequenter gegen Fakenews vor, sogar gegen Trump. Von Google hört man wie immer nicht viel, obwohl es die größte Plattform hat. Erstmals scheint man in Deutschland gewillt zu sein, Hate speech und Schlimmeres im Netz strafrechtlich verfolgen zu wollen. Jedenfalls sind die großen sozialen Medien kein Freiraum mehr für Extremisten, Verschwörer und Hater.

Und ähnliche Ansprüche gelten hoffentlich auch bald für die News. Dafür muss man endlich mal die DSGVO, die ja im Kern eine gute Sache ist, breit und gegen die meist amerikanischen Firmen durchzusetzen. Dem Tracking die Basis zu entziehen, das wäre es. Das erfordert einen klaren politischen Willen. Die Werbung ist die eigentliche Triebkraft der minderwertigen News. Sie kosten ja nichts, sie sind schließlich nur Beigaben zur möglichst gezielten Werbung.

Watt nix kost, dat iss och nix!

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Albrecht Lang

    Die Kunst des digitalen Lebens: Wie Sie auf News verzichten und die Informationsflut meistern. So der Titel des Breviers von
    Rolf Dobelli.
    Ich denke, dass er dem beinahe allumfassenden Titels nur zu einem kleinen Teil gerecht geworden ist. Digitales Leben ist viel mehr. Die Messenger in allen Varianten kommen gar nicht erst vor. Digital ist der Arbeitsalltag insgesamt. Was ist damit?
    Ich meine, das Herr Dobelli dem anspruchsvollen Thema kaum gerecht wird. Thema verfehlt.

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