Sich an den Ahnen messen…

Erste Ergebnisse der persönlichen Familienforschung sind nun da. Aber sollen wir uns wirklich an den Ahnen messen? Ist das eine gute Idee? Wie ein Blick in den Spiegel! Denn eine wichtige Erkenntnis ist, dass sie nicht perfekt waren. Ich hatte mich bereits in meinem Post über Atzbach und die Landschreibergasse 2 vage dazu geäußert: Wird fortgesetzt. So habe ich damals geschrieben und dabei auch an Dinge gedacht, die nicht besonders romantisch waren. Durch den Agel-Social-Media-Chat und die Beschäftigung mit der Materie ist es jetzt so weit.

Was war mit den Vorfahren in der Nazizeit? Das ist so eine wichtige und letztlich aktuelle Frage, wenn in Mittelhessen etwa 30% AfD wählen. Aus den Erzählungen meiner Mutter kann ich mich erinnern, dass sie berichtete, dass ihr Vater, also mein Großvater, Ortsbauernführer gewesen war. Im Mitgliederverzeichnis der NSDAP (nach Wikipedia, laut Musk „Wokepedia„) konnte ich ihn nicht finden. Laut Gießener Anzeiger vom 8.3.1933 hat sich ein Georg Agel wie auch ein Ludwig Brückmann für die NSDAP bei der Gemeinderatswahl Atzbach aufstellen lassen.

Ausschnitt aus Gießener Anzeiger vom 8.3.1933 S. 3, aus DDB

(Johann) Georg Agel dürfte mein Großvater gewesen sein, Namensgleichheit ist laut GEDBAS unwahrscheinlich. Bei Gemeindevorsteher Ludwig Brückmann ist das ohne direkte Kenntnis von anderen Unterlagen schwieriger. Er könnte ein Onkel meiner Mutter oder auch nur ein etwas entfernterer Verwandter gewesen sein.

Offensichtlich hatte mein Großvater keinen höheren Grad im Nazireich inne. Somit ist er bei der Entnazifizierung ab 1945 offensichtlich unbeschadet davon gekommen. Jedenfalls konnte ich beim LAGIS Hessen kein Dokument der Spruchkammer Wetzlar zu „Agel“ finden.

Meine Mutter berichtete öfter von der abgebrannten Feldscheune der Agel (nicht die Dreschhalle ist gemeint). Das hat nach Bericht von Cornelia der Familie damals eine weitere Notlage beschert, zumal der Vater die Feuerversicherung aus finanziellen Gründen gekündigt hatte. Nach Ingrid hätten andere Familien im Dorf anschließend ausgeholfen, da die Ernte vernichtet war.

Martha berichtete in diesem Zusammenhang immer wieder, dass das Feuer (genaues Jahr?) als Strafe Gottes empfunden wurde. Man habe ein schlechtes Gewissen wegen einer fragwürdigen Landübertragung in der Nazizeit gehabt. Dieses wurde der sozial schwachen Familie Lenz, in einem Kleinhaus gegenüber der Schule Atzbach wohnend, weggenommen. Zu meiner Schulzeit wohnte dort noch Lenze Emma, die die Kinder versuchten zu ärgern.

Aus früheren Erzählungen meiner Mutter ist mir noch erinnerlich, dass ihr Vater nach dem Ende des Dritten Reichs niedergeschlagen war. Er hatte alle Hoffnungen, die er in den Führer gesetzt hatte, verloren. Vergleichbar mit Heilserwartungen auf eine bessere Zukunft waren die wohl gewesen. Und, was ihn persönlich viel mehr noch getroffen hat, sein zweiter Sohn Hermann starb im Krieg noch 1945.

Aus einer weiteren Erzählung von Martha ist mir bekannt, dass der Sohn F. offensichtlich schon in der Kriegszeit, vermutlich zur Vorbereitung des Volkssturmes, zu einem Ausbildungslager der Nazis musste, von dem er unterkühlt, leicht bekleidet, vermutzt und wesensverändert zurückkam. Er muss damals vielleicht 15 Jahre alt gewesen sein. O-Ton von Martha: „Wie kann man einem jungen Burschen so etwas antun!“

Unklar bleibt mir, wie die Familie Agel sich im Umfeld der Religion verhalten hat. Immerhin stand später, daran kann ich mich noch erinnern, ein Harmonium als typische Ausstattung von Pietisten in ihrem Wohnzimmer. Mein Großvater verstarb zu früh in der Uni-Klinik in Gießen an einem Nierenversagen. Ich postuliere als Ursache aus gewissen Gründen Phenacetin-Nieren bei ihm.

Das stamm nur aus Informationen, die uns aus zweiter Hand vorliegen. Es gibt bestimmt noch weitere Geschichten zu den Agel in der Nazizeit. Oder unabhängig davon zu anderen Themen. Ich wüsste schon einige. Sich an den Ahnen messen…

Wird fortgesetzt…

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