Älter wird man von selbst. Aber sich bewegen, das sollte doch wohl sein. Risikobehaftete Sportarten mit Verletzungsrisiko kommen dann wohl nicht mehr in Betracht, gerade auch wegen der nun bei mir angesetzten gerinnungshemmenden Therapie mit Apixaban. Vor vielen Jahren habe ich mal gesagt, dass ich im Ruhestand gerne Pilates machen möchte. Ausgelöst war das durch die positiven Erfahrungen mit einer Personal Pilates Trainerin. Die Pilates Methode dürfte irgendwo zwischen Wellness und systematischem Ganzkörpertraining stehen. Ist denn Pilates für ältere Menschen wie mich wirklich geeignet?
Ich bin seit meiner Jugend regelmäßig Rad gefahren, habe zeitweilig intensiv Inline-Skating betrieben. Inline-Skating habe ich vor 9 Jahren (mit 65) eingestellt, meine schicken Rollerblades von K2 neulich in den Sperrmüll gegeben. Selbst Radfahren scheint mir ein erhöhtes Verletzungsrisiko zu haben. Oder bin ich vielleicht zu ängstlich? Für das Joggen konnte ich mich noch nie begeistern, dann schon eher für das Wandern auf mittellangen Rundwegen. Seit ca. 18 Jahren gehe ich (besser gehen wir) regelmäßig zum oft sportlichen Tanzen. Und Tanzen hat einen nicht nur historischen Bezug zur Pilates Methode, das ist der common link.
Seit einem halben Jahr ist die Herzsportgruppe, an der ich als Arzt meist monatlich teilgenommen habe, Geschichte. Ich habe mich deswegen beim lokalen Sportverein in einer Pilatesgruppe angemeldet, zumal ich den Übungsraum über den Hügel zu Fuß erreichen kann. Es liegt nahe, eine mir vertraute Sportart wie Pilates zu wählen. Wie ich ja weiß, ist das eine Gelenk- und Muskel-schonende Trainingsmethode, mit oft isometrische Übungen. Es geht dabei um Atmung, Bewegungsumfänge, Kraft, Entspannung, Konzentration und Balance. Pilates verwendet einen ganzheitlichen Ansatz, der auch meditative Elemente umfasst, die an Yoga erinnern.
Also bin ich dorthin, finde eine freundliche Gruppenleiterin vor, die sich mit mir unterhält, meine Ziele anhört. Ich berichte, dass ich damals vordere Knieschmerzen hatte, nachdem die Übungen mit gestreckten Knien vielleicht zu viele gewesen waren. Also auf jeden Fall die Knie gut polstern bei den Bodenübungen. Ich bin der einzige Mann in der Gruppe, vermutlich auch der Älteste. Die meisten Teilnehmerinnen dürfte so um die 50 sein und schon länger dabei. Ich gebe mir natürlich ordentlich Mühe. Nur keine Blöße geben! Viele der Übungen kriege ich nach mehreren Anläufen schon ganz gut hin, wie ich meine.
Jedenfalls habe ich danach keine Schmerzen, keinen Muskelkater, keine Krämpfe und stürze beim Training auch nicht hin. Selbstverständlich kann ich keinen Spagat machen, da meine Hüftbeweglichkeit im Vergleich zu den Frauen hier doch begrenzt ist. Mit Balanceübungen, basierend auf dem Einbeinstand, tue ich mir noch schwer. Ich kenne aber noch die Senioren der Herzsportgruppe, die sich damit immer sehr schwertaten. Ich bin in guter Gesellschaft.
Was ist nun mit der Evidenz des Nutzens der Pilates Methode? Ich habe eine wissenschaftliche Übersichtsarbeit zu 17 Formen natürlicher Bewegungstherapien gefunden, die keinen sicheren Nutzen für alle diese Verfahren findet. Allerdings schreibt der Autor auch „The absence of evidence is not the evidence of absence!“ (e.g. of positive effects). Sämtliche Studien sind offensichtlich wenig homogen, die Ziele und Messmethoden nicht gut definiert. Über die Zielgruppen scheint wenig bekannt zu sein. Gerade auch die Alten.
Ich würde vermuten, dass es in meiner Altersgruppe wenige oder gar keine Studien zu den Bewegungstherapien gibt. Also bleibt mir nur, auf mein Befinden dabei zu achten. Dass ich überhaupt dorthin gehen kann, das ist schon etwas. Wenn ich mich dabei in der Gruppe beim Training und danach wohlfühle, dann ist das Ziel erreicht. Die Pilates Methode steht zwischen Wellness und systematischem Ganzkörpertraining, soviel scheint klar. Ich werde sehen.